Beinahe ein Jahr lang hatten wir nicht mehr telefoniert, und je mehr Zeit verging, umso mehr hatte ich Angst, mich wieder zu melden.
Eigentlich schade, denn unsere teilweise stundenlangen Telefonate in unregelmäßigen Abständen, die von "Und, wie war die Woche?" bis "Hilfe, ich brauche ein neues Leben!" alle großen und kleinen Lebensthemen beinhalteten, fehlten mir irgendwie. Aber was würde sie sagen, wenn ich einfach so anrief? Und was sollte ich sagen? "Hallo, ich bins. Wie geht's?" So tun, als wäre nichts gewesen? Als hätten wir uns nicht gegenseitig missverstanden und am Ende eher frustriert das Telefonat beendet?
Der Zufall kam uns beiden schließlich zu Hilfe, wir vereinbarten per SMS einen Abend, um endlich mal wieder "alle Neuigkeiten auszutauschen". Schon eine halbe Stunde bevor ich anrief, wanderten meinen Gedanken zum kommenden Gespräch. Zu den verrückten Momenten, die wir gemeinsam erlebt hatten. Darunter unser beider bislang peinlichster Lebensmoment, der durch das "Zusammen erleben" nicht unbedingt weniger peinlich geworden war. Ich dachte an die Momente, die wir lachend irgendwo gesessen und Eis, Pizza, Falaffel, Sahnetorte gegessen hatten. Ich saß auf dem Sofa, hielt das Telefon in der Hand und wusste nicht genau, wann ich es eigentlich geholt hatte. Meine Gedanken hatten die Leitung schon längst aufgebaut... Zwei Stunden später (oder waren es drei?) beendeten wir unsere Plauderei, mein Telefon glühte. Ich blieb noch einen langen Moment auf dem Sofa sitzen, stellte mir vor, wie nun am anderen Ende der Leitung das Telefon beiseite gelegt wurde, natürlich fein säuberlich zurück in die Aufladestation und wie der Abend dort, 500 km entfernt, seinen Ausklang finden würde. Ich dachte über das Gesprochene nach, über die Frage, warum keine von uns beiden schon vorher auf diese Idee gekommen war. Nach einer Weile stand ich auf, trug das Telefon ebenfalls zur Aufladestation.