Ja, ich gebe es zu, ich habe es auch schon gemacht: Mich selbst gegoogelt. Allerdings war es nicht ich, die ich dabei gefunden habe, sondern eine in der Wissenschaft der Gender-Studies bewanderte Dame...
Und der Professor im Auslandssemester kam mir wieder in den Sinn. Er hatte ausschließlich zu mir doziert, wenn es im Seminar um "Feminismus im Alten Testament", "Frauen in der Kirche", "Geschlechterrollen im Volk Israel" ging. Des Rätsels Lösung, Gott sei Dank. Denn ich hatte schon vermutet, irgendwas an meinem Auftreten habe den Prof zu dem Schluss gebracht, ich sei eine Alice-Schwarzer-Jüngerin. Ich. Aber er hatte wohl einfach unsere Namen gegoogelt und nicht weiter als bis zum fünften Ergebnis gescrollt. Dann nämlich hätte er gemerkt, dass das Google-Ergebnis Professorin und die Teilnehmerin seines Seminars Studentin ist. Oder vielleicht war es doch einfach so, dass er mir anmerkte, dass ich Spaß an Gender-Studies habe. Allerdings ganz ohne Lehrstuhl oder Institut und ganz gewiss ohne Lehrbuch in gerechter Sprache. Meine Gender-Studies sind Gesellschaftsstudien im Alltag (oder, wie meine Oma sagt: "Andere Leute beobachten"). Wer wissen will, wie hungrige Kollegen aussehen: In der Mittagspause mit einer duftenden Pizzaschachtel durch die Flure wandern und dabei fröhlich grinsen. Unterhaltsame Gespräche über Instrumentenbau: Im Zug das archäologisch-theologische Buch "Keine Posaunen vor Jericho" lesen. Zum Dorfgespräch werden: Sonntags in der Kirche aller örtlicher ungeschriebener in Stein gemeißelter Regeln zum Trotz in die erste Bank sitzen, am besten als "junges Mädele" auf die Seite der "Alten". Und Gender-Studien? Da empfehle ich einen Spaziergang durch die Fußgängerzone, Samstagabend kurz vor Ladenschluss: Wer trägt bei einem Pärchen immer die Tüten mit den Klamotten von Zara? (Er!) Wer räumt allein mit seinem Blick alle entgegenkommenden Hindernisse aus dem Weg? (Sie!)
Meine neueste Studie in Sachen Mann-Frau ereignete sich an einer runden (Geburtstags-)Tafel. Zugegeben, ich hatte es schon erwartet. Die Gäste, beinahe gleich viele Frauen wie Männer, verhielten sich schon beim Einnehmen der Plätze gender-konform: Das Geburtstagskind in der Mitte, alle Männer rechts davon, alle Frauen links. Wie in der Kirche. Ich saß an der Schnittstelle des Geschehens. Die Themen rechts von mir reichten von "Was sagst du zum aktuellen Papst-Schreiben?" bis "Ich höre jetzt dreimal in der Woche abends in der Innenstadt die Beichte". Ja, es waren Kleriker. Links von mir waren es Dinge wie "Eine Katze wäre schon ein schönes Haustier" und "Kennst du schon den neuen Schnellkochtopf aus England?" Die Frauenseite. Typische Gespräche, alles normal. Interessant im Sinne der Wissenschaft wurde es erst, als die Karte gebracht wurde: Nichts ahnend bestellte ich als einzige der Damen ein Fleischgericht und just neben mir durchbrach mein Sitznachbar das "Hauptsache Fleisch!" seiner Mitbrüder durch eine vegetarische Bestellung. Was wohl Frau Professor F. dazu sagen würde? Bis zum Nachtisch hatte sich das Gleichgewicht der Geschlechter wiederhergestellt, man hatte ja genug zu sprechen über jaulende Katzen und singende Kirchenchöre. Doch dann kam der Kellner mit der Karte und meine Beobachtungsstudie ging in die zweite Runde. Plötzlich mischte sich in die Frage von links, in welchem Billigdiscounter es das beste Bio-Eis gebe, die Antwort von rechts, dass man da auf keinen Fall Eier für 60 Cent kaufen solle. Stimmengewirr war das Ergebnis und ein Sprachenwunder nicht in Sicht. Erklärungsnot im Gender-Büro und die Frage: Wo gibt es heute noch Eier für 60 Cent? (Liebe Priester, bitte geht gelegentlich auch mal selbst in einen Supermarkt, es schadet der Heiligkeit in keinem Fall!) Vielleicht waren es der Cappuccino links und das zweite Bier rechts, oder auch die ehrfurchtsvolle Stille beim Genuss der Nachspeise, die eine wissenschaftlich fundierte Auswertung meinerseits verhinderten. Ich genoss mein Eis, dachte an Bio-Eier und das kulturelle Geschlecht und wusste: Gleich würde mir einer der Herren in den Mantel helfen und die Welt wäre wieder in Ordnung.