Er stand mitten in der Halle, glänze golden im indirekten Licht und wirkte einfach nur surreal. Ein einzelner Luftballon, gefüllt mit Helium, schwebte im großen Lichthof der Universität langsam dem Boden entgegen.
Ich war auf dem Weg nach unten, in einen der Seminarräume und benötigte drei Augen-Blicke, um zu realisieren, was ich da sah. Ein Luftballon. In Gold. In der Universität. Irgendwie wirkte der Ballon so, als wäre er schon immer da. Genau hier, wo denn sonst. In den drei Stockwerken rund um die Halle, in den Treppenhäusern und Fluren, strömten Studenten und Dozenten von einem Raum in den nächsten, von der einen Vorlesung in die nächste. Einfach nur vorwärts, laut und schnell. Und genau in der Mitte, sozusagen im Drehmoment der ganzen Szene schwebte der Luftballon. Ohne Lärm, ohne Eile. Von oben nach unten, so langsam, dass der Übergang von Stillstand zu Bewegung fließend war.
Ich war gerade dabei, mein gleich beginnendes Seminar im Kopf noch einmal durchzugehen, als ich völlig unvermittelt in dieses Stillleben aus Luftballon und Unitrubel einbrach. In meinem Kopf flogen Gedanken wie "Das Gebet. oder: Kein Anschluss unter dieser Nummer?" , "Wer hat sich heute entschuldigt?", "Warum scheint die Sonne immer dann, wenn ich arbeiten muss?". Und nun flog quer durch diese Gedanken ein goldenes, rundes Stück Helium. Bis ich ganz begriff, was ich da eigentlich sah, war der Luftballon schon beinahe bis zum Boden gesunken, so als hätte ihn jemand an seiner weißen Schnur langsam und vorsichtig genau in die Mitte der Halle gezogen. Konzentriert sprechende Menschen manchen manchmal dieselbe Bewegung, von oben nach unten. Als wollten sie die Gedanken aus der Luft ziehen, von oben nach unten. Es gibt aber auch Gedanken, die schicken wir von unten nach oben, die lassen wir los wie einen frisch gefüllten Heliumballon. Wir schauen ihnen nach, in der Hoffnung, dass sie irgendwo ankommen, dass sie ihr Ziel erreichen, von irgendjemandem gehört werden und hoffentlich nicht wieder leer zurückkehren. Der Luftballon glitt dahin und blieb kurz über den Boden stehen, sodass seine weiße Schnur auf dem Marmorboden schleifte. Ich ertappte mich dabei, wie ich mit offenem Mund in der Mitte der Halle stand, in respektvollem Abstand zu diesem schwebenden und surrealen Moment und mir die Worte in den Sinn kamen, die einst dem Propheten Jesaja zugesagt worden waren: "Mein Wort kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe." Also doch: Das Gebet. Ein Anschluss unter dieser Nummer.
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